Musikalisch aus dem Vollen geschöpft

Eindrucksvolles Jubiläumskonzert des Männerchors Hepsisau: Silcherlieder, Opernchor und Unterhaltungsmusik

„Sind wir der Arbeit müde, bleibt noch Kraft zu einem Liede.“ Mit diesem Wahlspruch halten es die Sänger vom Männerchor Hepsisau seit nunmehr 100 Jahren. Das Jubiläumsjahr krönten die Männer am Sonntag in der ausverkauften Zipfelbachhalle mit einem begeisternden Konzertabend, bei dem die Riege zusammen mit ihrer Dirigentin Daniela Wolff musikalisch aus dem Vollen schöpfte. Dass die Gemeindehalle am großen Abend aus allen Nähten platzen würde, daran dürfte schon vorher kein Zweifel bestanden haben. Denn zu seinem großen Fanclub darf der Hepsisauer Männerchor selbst den obersten Mann des Landkreises zählen. Landrat Heinz Eininger hatte es sich an diesem Abend nicht nehmen lassen, zum Jubiläumsabend nach Hepsisau zu kommen. Im Gepäck hatte der Kreischef eine der höchsten Ehrungen, die es für Gesangvereine in Deutschland gibt: die Zelterplakette. Die nach dem Begründer der Berliner Liedertafel und Förderer der Laienmusik Carl Friedrich Zelter benannte Auszeichnung wird vom Bundespräsidenten an jene Chöre verliehen, die sich in „ernster und erfolgreicher musikalischer Arbeit der Pflege des Chorgesangs gewidmet und der örtlichen gegebenen Verhältnisse künstlerisch oder volksbildende Verdienste erworben hat“, wie es in den Richtlinien heißt. Dass dies alles auf den Männerchor eindeutig zutrifft, bewiesen die 34 Sänger bei einem Konzertabend, der von schwelgerischen Silcherkompositionen bis hin zum Opernchor und zeitgenössischer Unterhaltungsmusik alles bot. „Die Zeit ist ein Fluss und jeder Wassertropfen eine Begebenheit“, so der Autor, Sprachkünstler und ehemalige Chorleiter des MC Hepsisau, Timo Brunke, der gewohnt charmant und wortgewandt durch den Abend führte. Was der Männerchor an diesem Abend bot, zeigte denn auch eine Schöpfkelle voll aus der – musikalischen – Geschichte eines der letzten reinen Männerchöre der Region. Musikalischen Respekt erwiesen die Sänger dabei einem ihrer langjährigen Dirigenten, Dr. Julius Knierim. Mit einem geliehenen Schlitten war er nach dem Krieg nach Hepsisau gekommen und hatte binnen Jahresfrist den brachliegenden Gesangverein neu belebt. Doch auch musikalisch hinterließ der Musikwissenschaftler Spuren im Weilheimer Teilort: Zum bekannten Priesterchor „O Isis und Osiris“ aus Mozarts „Zauberflöte“ dichtete er das Hepsisauer Heimatlied, das an diesem Abend nicht fehlen durfte. Äußerst ambitioniert auch das „Lied der Fischer am Strom“, das den 34 Sängern besonders gut gelang. Kein Wunder also, dass es auch in den Grußworten zum Jubiläumskonzert viel Lob gab. Mit seinen Liederabenden, Festen, Kirchenkonzerten und einst sogar mit seinen Laienspielen sei der MC Hepsisau stets eine große Bereicherung des Gemeindelebens gewesen, lobte Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle. Und Ortsvorsteher Hartmut Hummel vermisste den rührigen Verein gar in einer alten Amtsbeschreibung, die die schöne Lage des Dorfes am Fuße der Alb rühmte. „Die Hepsisauer sind stolz auf ihren Männerchor“, erklärte er unter dem Beifall der Gäste. Wohlakzentuiert und wahrhaftig gelang die Interpretation der Kompositionen eines der wenigen großen schwäbischen Komponisten, Friedrich Silcher. Ob beim „Ännchen von Tharau“ oder dem dunklen „Zu Straßburg an der Schanz“ – die Sänger trafen bei den innigen und intensiven Liedern den richtigen Ton. Auch Silchers Zeitgenossen Franz Schubert, wie Silcher und Zelter ein Befürworter der jungen Chor- und Gesangsbewegung in Deutschland, erwiesen sie Respekt. Dabei stach vor allem das weniger bekannte „Räuberlied“ heraus. Und auch die beiden Mörike- Vertonungen dürften dem Publikum noch lange als Wohlgenuss in den Ohren klingen. Dass man in Hepsisau nicht nur Geschaffenes bewahrt, um es weiter zu geben, sondern auch neue Wege beschreitet, wie es der Präsident des Chorverbandes Karl Pfaff, Udo Goldmann, den Jubilaren ans Herz legte, bewiesen die Sänger nach der Pause: Mit „Musik ist Trumpf“, „The Lion Sleeps Tonnight“ und dem Spiritual „Rock My Soul“ bewiesen die Männer, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben und die Basis für das Weiterbestehen gelegt ist. Wenn auch manch Sänger bei der swingenden, modernen Literatur noch etwas steifbeinig wirkte – dem Chor merkte man die Lust aufs Neue an. Ihre Klasse aber bewiesen die Sänger bei den Liebesliedern: Cremig, samtig schwelgten sie im „Liebeslied an Lu“ in den Melodien, beschworen süß die „Wahre Liebe“ des mährischen Komponisten Leoš Janacek. Bei den Opernchören, die als Höhepunkt den Abend krönten, stach insbesondere der Jägerchor aus Webers Freischütz mit seiner stimmigen Intonation heraus. Doch ihr wahres Können zeigten sie beim „Lumpenlied“, das die Männer als Zugabe zu einem rundum gelungenen Jubiläumskonzert darbrachten und das Publikum nochmals zu Begeisterungsstürmen anhob. Ein doppelter Grund zur Freude war der Abend für Karl Braun: Seit 40 Jahren singt er aktiv, nun erhielt er dafür aus den Händen von Udo Goldmann die silberne Ehrennadel. Trotz des Jubels fiel an diesem Abend ein kleiner Wermutstropfen in die Sektlaune: Denn das Jubiläumskonzert war der letzte große Auftritt, den der Männerchor mit seiner Dirigentin Daniela Wolff erleben durfte. Die einzige Frau in der Vereinsgeschichte wird den Chor nach drei Jahren erfolgreichen Wirkens verlassen. „Seit einem Jahr fährt sie immer donnerstags von Bretten hierher, das haben wir ihr hoch angerechnet“, sprach Vereinsvorstand Roland Braun die Gründe für die Trennung an. Welch musikalischer Verlust die engagierte Musikerin ist, bewies sie in zwei Solo- Einlagen. Mit Werken von Chopins „Fantasie impromptu“ und Gershwins Préludes for Piano als Pianistin.

Nicole Mohn - Teckbote, 2.11.2010